Zeit für Neues – Beiträge eines Seminars zur Studierendenbeteiligung (2)


Der Laptop läuft und schnauft. Das hört Emma schon von weitem, als sie ihr Zimmer mit einem großen Glas Wasser betritt. Sie setzt sich an ihren Schreibtisch und schiebt ein paar Fresszettel und Bücher zur Seite um Platz für ihr Glas zu schaffen. Der Schreibtisch, welchen sie damals als sie auf die weiterführende Schule kam von ihren Großeltern geschenkt bekommen hatte, ist mittlerweile einfach viel zu klein. Bei ihrem Umzug von Zuhause in die WG war leider kein Geld mehr übrig einen Neuen zu kaufen. Sie macht sich wieder an die Arbeit, doch tut sich schwer, weil es extrem warm draußen ist und die Kinder im Innenhof auf und ab rennen. „Timo ich hab dich, jetzt musst du mich fangen!“, schreit die Nachbarstochter so laut, dass es Emma trotz geschlossenem Fenster hört. Emma liest mit zusammengekniffenen Augen von ihrem Bildschirm und versucht sich einzuprägen was dort steht. „Verflixt, nicht das auch noch!“, stößt sie genervt auf. Schnell packt sie ihren Laptop und ein paar Bücher von ihrem Tisch und legt sie auf den Boden. Sie ist mit ihrem Ellenbogen an das Glas gekommen und hat es umgestoßen. „Grund genug eine Pause zu machen“ , denkt sich Emma, schnappt
ihr Handy und wählt die Nummer von Hannah. Hannah nimmt sofort den Hörer ab: „Hey Emma, was geht?“. „Nichts, ich bin gerade am VWL lernen, aber habe jetzt schon keine Lust mehr.“ antwortet Emma. „Verständlich, es ist viel zu warm draußen um sich konzentrieren zu können. Ich habe beschlossen nachher einfach in die Bib zu gehen, vielleicht klappt es dort mit dem lernen besser. Willst du mitkommen?“, antwortet Hannah. (Emma): „Och nee lass mal. Ich glaube ich kann mich dort auch nicht besser konzentrieren. Außerdem muss ich noch duschen und bis ich losgehe lohnt sich das wahrscheinlich nicht mehr. Die Bib schließt doch um 20 Uhr, oder?“. Hannah entgegnet: „Ach komm schon. Ich geb‘ dir dort auch nen Kaffee aus! Und übrigens kommst du mit deinem Studentenausweis zu jeder Uhrzeit rein und kannst gehen, wann du willst.“. Emma verharrt eine Sekunde und schaut auf ihren überfüllten Schreibtisch. Im Hintergrund hört sie die Kinder weiter spielen. „Hmm“, überlegt Emma, „ich weiß nicht.“ Hannah lässt sich davon nicht beeindrucken und argumentiert weiter: „Glaub mir, das ist super dort. Ich kann auch mal in der App schauen, ob es heute Abend in den großen Gruppenräumen noch einen Vortrag gibt oder die anderen einen Raum zum Lernen gemietet haben. Dann können wir mit denen zusammen den Stoff nochmal durch gehen.“ „Okay du hast mich überzeugt, entgegnete Emma, „dann teste ich die Bib auch mal aus“.

Giebels Heldenreise

Eine Stunden später erreicht Emma das Gebäude am Rande des Stadtgartens. Die große Grünanlage rahmt den hellen, einladenden Eingang, an dem Hannah schon auf Emma wartet und sie strahlend mit zwei Bechern Kaffee empfängt.

Da es das sonnige Wetter zulässt, sitzen einige Studenten unter den großen Sonnenschirmen draußen, über zusammengeschobene Tische hinweg, scheinen sie zu diskutieren. Andere genießen die Sonne und lehnen sich in ihren Stühlen zurück.

Emma begrüßt Hannah und entgegnet gleichzeitig: „Entschuldige meine Verspätung. Die blöde Bahn streikt schon wieder. Ich habe es schneller nicht her geschafft.“

Rasch betreten die beiden Mädchen das Gebäude. Eine kleine Ausstellung schmückt das Foyer und die Dame an der Kaffeebar lächelt ihnen freundlich zu. Doch Hannah steuert auf die große Treppe zu und Emma folgt ihr. Bevor sie etwas sagen kann, beantwortet Hannah Emmas Frage. Sie hätte wohl zwei Ruheplätze im Lernsaal für zwei Stunden reserviert. Danach könnten sie noch in den Gruppenraum gehen. Emmas vor erste Skepsis legt sich ein bisschen, doch sie ist froh Hannah bei sich zu haben, die sich offensichtlich bestens auskennt.

Oben angekommen wühlt Hannah in ihrer Tasche und sucht ihren Bibliotheksausweis, den sie Zuhause einfach in ihre Tasche geschmissen hat. „Wir müssen dort unsere Karten dran halten, damit wir zu unseren Plätzen kommen.“ ,sagt sie zu Emma, welche daraufhin genervt sagt: „So ein Mist, ich habe gar keinen Ausweis. Ich bin hier doch sonst nie.“ Hannah antwortet: „Ach ja stimmt, das habe ich total vergessen.“ Sie zückt ihr Handy, ihr Bildschirm zeigt 17:41 Uhr an. „Der Schalter hat leider schon geschlossen, also kannst du dir auch keinen machen. Das geht normalerweise ganz schnell und ohne Probleme.“

Emma denkt sich, sie könne gleich wieder nach Hause. Die Zeit rennt ihr davon. In drei Tagen schreibt sie die Klausur und momentan glaubt sie nicht ans Bestehen.

Ein großer, freundlicher Mann scheint das Problem der beiden jungen Frauen mitbekommen zu haben, denn er entgegnet, dass sie sich auch einen Account in der Bibliotheks-App machen könnte und somit auch zu ihrem Platz käme.

Emma atmet erleichtert durch und bedankt sich für den Ratschlag. Nach einigen Minuten schlendern die beiden zu ihren Plätzen und machen sich an die Arbeit. Hannah entgegnet optimistisch :“ Auf zwei produktive Stunden!“ und schlägt dabei ihr Buch auf. Tief in ihre Gedanken versunken, arbeiten die beiden, ganz unabgelenkt von der Außenwelt. Die angenehme Atmosphäre sowie die weiteren Leute, welche ebenfalls alle seelenruhig arbeiten, motivieren Emma das gleiche zu tun. Doch plötzlich vibriert Emmas Handy und sie ist überrascht als sie den Bildschirm entsperrt und die Zeit um ist. Das kam ihr gar nicht so anstrengend vor und produktiv war sie auch! Sie fragt Hannah leise:“ Sollen wir noch rüber in den Gruppenraum?“ Hannah nickt ihr zu und beide stehen auf.

Als sie in dem Raum mit dem großem Konferenztisch ankommen, begrüßen die Kommilitonen Hannah und Emma. Hannah kennt die meisten schon besser, Emma jedoch nur flüchtig. Doch das scheint unwichtig, denn kaum als die Mädchen Platz nehmen, steigen sie in das Gespräch ein. Irgendwann fragt Timo in die Runde: „Möchte noch jemand was zu trinken, ich gehe kurz runter in die Cafeteria und kaufe mir was?“ Zwei Flaschen Cola, eine Fanta und drei Wasser ergeben sich aus der Frage. Emma entscheidet sich mit Timo mitzukommen, da er nicht alles alleine tragen kann. „Unglaublich, dass hier immer noch so viel los ist.“, sagt Emma verwundert zu Timo. „Ja oder? – Ich komme schon eine Weile hier her, das Gebäude ist eigentlich immer gut besucht. Viele kommen nicht nur zum Lernen, sondern aufgrund der Vorträge oder auch der Cafeteria. Du siehst ja wie schön man hier sitzen kann.“

Emma erklärt Timo, wieso sie immer skeptisch war und nicht her gekommen ist. Sie, wie wahrscheinlich die meisten, habe ein völlig falsches Bild einer heutigen Bibliothek im Kopf. Man vergisst schnell, dass ein solches Gebäude viel mehr als nur eine Ansammlung von Büchern und dunklen Gängen mit zu wenig Platz und Austausch sei. Timo antwortet: „Stimmt, aber wir machen den Anfang, wenn wir das Angebot nutzen!“

Auf dem Heimweg nach Hause grinst Emma. Sie freut sich so unterwartet doch noch produktiv gewesen zu sein. Heute hat sie nicht nur VWL gelernt, sondern auch einige ihrer Kommilitonen sind ihr nun vertrauter. Zuhause angekommen lässt sie ihre Tasche gleich zusammengepackt. Selbst der jetzt nicht mehr ganz so volle Schreibtisch ärgert sie nicht mehr, da sie morgen früh gleich wieder in die Bibliothek gehen möchte. Sie verfasst eine Nachricht an ihre gute Freundin Tina und fragt sie ob sie morgen mitkommen wolle…

Leonie Giebels studiert Architektur und Stadtplanung an der
Universität Stuttgart im 5. Semester und hat am Seminar
Hybrid oder digital na(t)ive (Erlebnis)Reise – Szenarien
für eine Bibliothek der Zukunft für alle” teilgenommen