Heldenreise – Beiträge eines Seminars zur Studierendenbeteiligung (4)

Feser, Heldenreise

Vor langer langer Zeit, als ich gerade mein Studium begann, wurde ich durch Recherchearbeiten für eine Präsentation verleitet die Bibliothek zu besuchen. Ich hörte bereits von vielen Kommilitonen, dass die Bibliothek ein kalter, beengender Ort mit einer gruseligen Stille sein sollte. Ein Kommilitone aus meinem Semester erzählte mir eine Geschichte von einem Mädchen, dass sich eines dunklen abends noch in der Bibliothek aufhielt und in der Dunkelheit der Bücherregale verschwand und nie wieder gefunden wurde. Es wurde sich erzählt das sie in einem Buch gefangen sei. Das war nicht die einzige Geschichte dir mir zu Ohren kam. Ein Junge aus einem höheren Semester erzählte, dass er durch die beengende Situation in den Fluren, zwischen den Bücherregalen Platzangst bekam und ihn eine Mitarbeiterin dort rausholen musste, da er sich vor Angst nicht mehr bewegen konnte. Auch diese Geschichte bereitete mir etwas Sorge in die Bücherei zu gehen.

Feser, Heldenreise

Eine Freundin von mir sagte zu mir, ich solle nie alleine in die Bibliothek gehen, da sie die kalte Atmosphäre und die Stille dort sehr beängstigend und gruselig empfand. Die ganzen Geschichten, die mir erzählt wurden, beunruhigten mich den Ort zu betreten. Aber im weiten Umkreis war diese Bibliothek die einzige Stelle, um an alle Art von Literatur zu gelangen und somit auch an die Bücher, die ich benötigte, somit hatte ich keine andere Wahl, als mir selbst ein Bild der mit gruseligen Geschichten behafteten Bibliothek zu machen.

Eines späten Nachmittags wagte ich mich bis zum Eingang der besagten Bibliothek. Ein Gefühl des Unwohlseins und leichte Angst begleiteten mich zur großen schweren Eingangstür, die Tür ins Grauen so wurde sie genannt. Ich trat ein und keine Menschenseele war zu sehen, der Eingangsbereich war unerwartet groß aber eine kühle Atmosphäre überkam mich. Nicht nur die Atmosphäre, sondern auch die Temperatur war kühl, deshalb behielt ich meine Jacke an und ging weiter hinein. Ich lief die Treppen stufen nach oben, wo sich die Bücher befinden sollten. Oben angekommen sah ich erst mal einen Bereich mit Tischen, die wohl zum Lernen dienen sollten, es saßen wenige Studenten dort und versuchten sich am Lernen. Es war stille nichts als Stille keiner der Anwesenden sagte etwas. Dann sah ich den Gang zu den Büchern, ich machte mich auf den weg meine gesuchten Bücher zu finden, die ich für meine Präsentation benötigte. Es wurde langsam dunkel draußen und die Stimmung wurde unangenehmer. Als ich durch die beengenden Regale lief fielen mir die Geschichten der Kommilitonen wieder ein und ich bekam ein sehr unangenehmes Gefühl. Auf einmal berührte mich jemand an der Schulter ich erschrak so sehr, dass ich aufschrie. Ich drehte mich beängstig um und sah zum Glück nur einen Mitarbeiter. Er entschuldigte sich bei mir für den Schrecken, den er mir bereitete und fragte, ob er mir helfen könne, da ich schon so lange suche und noch kein Buch in der Hand hielt. Langsam beruhigte ich mich wieder und bat ihn mir zu helfen die 3 Bücher auf meiner Liste mit mir zu suchen. Mit ihm zusammen hatte ich nicht mehr so ein unangenehmes und gruseliges Gefühl. Bis ich alle Bücher zusammen hatte war es bereits dunkel geworden. Die Lichter in den Fluren flackerten und manche gingen erst gar nicht, es war genauso wie es meine Freunde beschrieben hatten, deshalb machte ich mich schnell auf den Weg nach Hause.

Als ich zuhause ankam machte ich mir Gedanken über die Bücherei und warum man diesen Ort zu so etwas werden lassen konnte. Ich konnte mir nicht erklären, wieso man nicht schon längst Veränderungen vorgenommen hat, um diesem Ort wieder einen Sinn und Lebendigkeit zu geben. Ich beschloss mich darum zu kümmern und fragte bei den zuständigen Stellen nach, ob ich nicht eine Initiative Gründen könnte zur Verbesserung der Bibliothek. Ich bekam die gewünschte Unterstützung der Stadt und auch der Universität, um Verbesserungsvorschläge für die Bibliothek zu präsentieren, die gegebenenfalls auch umgesetzt werden würden. Somit machte ich mich auf die Suche nach Studenten die bereit waren mir zu helfen, um der Bibliothek wieder zu einem neuen Glanz zu verhelfen. Es meldeten sich viele Studenten aus allen Fachrichtungen die neue innovative Ideen für die alte Bibliothek hatten. Jeder durfte seine Ideen mit einbringen, eine Studentin schlug vor, dass wir mehr als nur die Nutzung des Lesens und Lernens in die Bibliothek bringen könnten. Wir sollten auch andere Nutzungen mit einbeziehen wie die Bildung eines Treffpunktes mit einem Café oder eine Nutzung der bestehenden Räume für Veranstaltungen, die nach den normalen Öffnungszeiten stattfinden könnten. Ein anderer hatte die Idee eine Ruhige Zone für das Lernen sowie eine Zone für gemeinsames Lernen anzubieten, das die unheimliche Stille sich nicht mehr durch das ganze Gebäude ziehen könne. Eine weitere tolle Idee war es, die Bibliothek heller zu gestalten und die Flure zu vergrößern und besser zu belichten damit das beengte Gefühl sowie die gruselige Stimmung verschwinden würde. Ich war begeistert auf was für tolle und Sinnvolle Ideen alle gekommen waren. Meine persönliche Idee war es Bereiche zu schaffen wo man sich zurückziehen kann und unbeobachtet und entspannt lesen kann. Auch ein besseres Raumklima zu schaffen ist ein wichtiger Punkt, zum einen durch eine bessere und wärmere Temperatur, da ich es für sehr kalt empfand und zum anderen mit Pflanzen und gemütlichen einladenden Farben und kleinen Nischen, die alleine oder gemeinsam genutzt werden können. All diese Ideen sollten dazu beitragen sich dort mehr wohlzufühlen und dazu einladen die Bibliothek zu benutzten. Diese ganzen Ideen präsentierten wir der Stadt und der Universität und sie waren begeistert über unser Engagement und die innovativen Ideen, die wir für die Bibliothek hatten. Sie willigten einer Umgestaltung der bisherigen Bibliothek ein und baten uns um tatkräftige Mitarbeit bei diesem Projekt.

Es dauerte fast ein ganzes Jahr bis alle Ideen in der Bibliothek umgesetzt werden konnten, aber es hatte sich gelohnt. An der Einweihungsparty konnte man die Bibliothek nicht mehr wiedererkennen. Es waren alle Beteiligten anwesend und noch viele andere Gäste, die sich über die neue Bücherei freuten und uns ein Riesenlob aussprachen. Sie waren begeistert von den Veränderungen, sie lobten die warme und angenehme Atmosphäre, die gleichzeitig ruhige zum Lernen einladenden Zonen sowie die Gemeinschaftsbereiche zum Austausch der Studenten. Jeder war begeistert von der neuen Bibliothek. Auch ein paar Wochen nach der Eröffnung war die Bücherei immer sehr belebt und jeder ging gerne dorthin, egal ob zum Lernen, sich mit Freunden zu treffen oder auf die Afterpartys, die abends stattfanden. So konnten wir der Stadt wieder einen Ort für Bildung, Spaß und Wissen schenken.

Nadja Feser studiert Architektur und Stadtplanung an der
Universität Stuttgart im 6. Semester und hat am Seminar
Hybrid oder digital na(t)ive (Erlebnis)Reise – Szenarien
für eine Bibliothek der Zukunft für alle” teilgenommen