Zwei Häuser – zwei Konzepte


Ein Besuch an der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Darmstadt

Die ULB Darmstadt konnte vor einigen Jahren fast zeitgleich zwei Neubauten beziehen: Das Hauptgebäude auf dem Campus Stadtmitte (2006-2012) mit rund 20.000 qm Nutzfläche und 800 Arbeitsplätzen sowie die Bibliothek auf dem Campus Lichtwiese (2009-2013) mit rund 4.500 qm Nutzfläche und 300 Arbeitsplätzen.

Im Zuge dieser Neubautätigkeiten wurden 60 Institutsbibliotheken in die Gebäude integriert. Möglich wurden die beiden Neubauten durch die vom Land Hessen an die Universitäten abgegebene Bauhoheit und eine Satzungsänderung der Universitätsleitung zur Integration der Institutsbibliotheken. Zu diesem Integrationsplan hat die Bibliothek das Konzept der “Bibliothek in der Bibliothek” entwickelt, was sich auch in der Gebäudeplanung widerspiegelt. Der Buchbestand aus den ehemaligen Institutsbibliotheken wurde auf den Etagen fachlich sortiert nach RVK aufgestellt und jeweils von Fachteams aus Erwerbung, Benutzung, Fachreferat und ehemaligen InstitutsbibliothekarInnen betreut. Dicht an den Beständen und vom Lesesaal erreichbar sind auch die jeweiligen Fachteambüros angesiedelt. Damit sollten die Institute weiterhin ihre alte Institutsbibliothek mit den bekannten Ansprechpartnern wiederfinden – nur in einem neuen Gebäude mit erweiterten Öffnungszeiten. Die daraus resultierende Matrix-Organisation hat sich für eine Übergangszeit von einigen Jahren als sinnvoll erwiesen, wurde vor kurzem aber unter dem Direktorat von Thomas Stäcker den erneut gewandelten Rahmenbedingungen angepasst und wieder in eine hierarchische gegliederte Abteilungsstruktur umorganisiert.

Beide Neubauten wurden von unterschiedlichen Architekten beinahe zeitgleich geplant und errichtet, unterscheiden sich allerdings in ihrer Funktionalität enorm. Der Bau in der Stadtmitte erscheint dabei sehr viel problematischer im Alltag der Nutzer. So wurden alle Versorgungsleitungen in den Hohlboden verlegt, auf diesen die Trockenbauwände aufgesetzt, so dass der Boden gleichsam einen Resonanzkörper bildet und den Schall von einer Ecke des Lesesaals über Raumgrenzen hinweg in die andere Ecke überträgt. Das offen gestaltete Treppenhaus über mehrere Etagen in der Mitte des Lesesaals trägt sein Übriges dazu bei, ebenso die Tatsache, dass der Eingangsbereich der Bibliothek gleichzeitig Durchgangsweg zu den anschließenden Institutsgebäuden ist. Die aus dem Hohlboden austretenden Lüftungsschächte sorgen dafür, dass Regale im Lesesaal für eine sich verändernde Nutzung nicht einfach umgestellt werden können. Durch die Verteilung der einzelnen „Fachbibliotheken“ auf das gesamte offen gestaltete Gebäude und die gute Nutzung des Buchbestands herrscht im gesamten Haus reger Verkehr und ein dementsprechender Geräuschpegel. Nachträgliche Änderungen im Schallschutz verhindert allerdings das Brandschutzkonzept.

Im Gebäude auf dem etwas außerhalb der Innenstadt liegenden Campus Lichtwiese wurde eine andere Lösung gefunden. Die auf hohe Besucherfrequenzen ausgerichteten Treppenhäuser des angrenzenden Hörsaalzentrums und der Hauptzugang zur Bibliothek wurden zum Lesesaal hin mit Spezialglas für Tonstudios abgedichtet. Auf schallübertragende Hohlböden hat man verzichtet. Durch eine großzügige Freihandaufstellung, die als Raumteiler dient und einzelne Nutzerarbeitsbereiche voneinander abschirmt senkt man den Lärmpegel enorm. Die stark genutzte Lehrbuchsammlung für die dort beheimateten Ingenieurs- und Naturwissenschaften ist im Erdgeschoss und Eingangsbereich der Bibliothek untergebracht, so dass die darüber liegenden Lesesäle dem stillen Arbeiten vorbehalten sind. Auf ein geschlossenes Magazin wurde hier komplett verzichtet; die selten genutzten Bestände sind in der Innenstadt zusammengeführt.

Nach den Erfahrungen der Darmstädter Kollegen ist entscheidend für die gesamte Bauplanung eine andauernde und beharrliche Präsenz der UB in den Planungs- und Wettbewerbsgremien. Nur so kann auf die neuralgischen Punkte Oberflächen, Raumakustik und Flächenanordnung immer wieder eingewirkt werden. Das von der Universitätsleitung vorgegebene Ziel einer Zusammenführung der zahlreichen dezentralen Bibliotheken sowie ein klarer Kosten- und Zeitrahmen erleichterten darüber hinaus die Umsetzung eines solchen Projekts.

Christiane Rambach, UB Stuttgart

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